Babyboom
Damals in den Achtzigern als ich so unglaublich viel gelesen habe, habe ich jedes Buch von Slesar verschlungen dessen ich habhaft werden konnte und war immer wieder begeistert. Zwanzig Jahre später hat Slesar nichts von seiner Faszination verloren. Seine Geschichten sind einfach rund.
Sicherlich überraschen sie nicht in gleichem Maße wie Heines Kille Kille Geschichten, dafür sind sie aber insgesamt etwas spanndender und amüsanter geschrieben.
Bei Heine ist die Geschichte ansich mehr die Vorbereitung auf den furiosen Schluß, bei Slesar hingegen ist der Weg schon das Ziel. Slesar ist zum Genießen, man kann mal ein, zwei oder auch drei seiner Geschichten lesen und sich den Rest für morgen aufheben, damit man etwas hat worauf man sich freuen kann, nach Feierabend. Man kann aber auch das ganze Buch innerhalb einer Nacht verschlingen, am nächsten Tag völlig übermüdet sein deswegen und trotzdem die Gewissheit haben, das es das wert war. Vergleichbar mit einer Schachtel edlen Konfekts, natürlich sind diese Pralinen viel zu schade, um sie alle auf einmal zu verschlingen, ein oder zwei und der Rest bleibt für später, aber natürlich ist die Schachtel schon leer bis man diesen Entschluß gefasst hat, und man hat Bauchschmerzen, aber lecker war es trotzdem, Henry!
Exkurs:
An dieser Stelle könnte man ja mal ein wenig über den Diogenes Verlag sinnieren:
Babyboom fühlt sich irgendwie richtig gut an – also haptisch. Beim direkten Vergleich fällt auf, daß die Diogenes Bücher glatteres, feineres Papier haben als alle meine anderen Bücher, daher das gute Gefühl. Und diesen feinen Unterschied finde ich für Diogenes sehr bezeichnend: ich habe in all den Jahren nicht ein Buch dieses Verlages gelesen, von dem ich wirklich enttäuscht war (siehe Vollidiot). Alle diese Bücher aus der Schweiz haben, nicht nur materiell sondern auch inhaltlich, immer dieses gewisse Etwas, was sie aus der Masse aller Bücher abhebt.
Zum Beispiel Ray Bradbury: ich habe alles von ihm gelesen was ich kriegen konnte und alle Bücher waren gut, aber es gibt diese Werke von ihm die nicht von Diogenes verlegt wurden („Vom Staub kehrst du zurück“, „Gesänge des Computers“, „Die vergessene Marsstadt“, „Medizin für Melancholie“), und auch wenn dies alles großartige Bücher sind, es fehlt ihnen genau dieses gewisse i-Tüpfelchen, was ein Diogenes Buch ausmacht, deswegen sind sie ja wohl auch bei anderen Verlagen erschienen. Und ein zerfallendes Buch wie den „Staub“, wenn wir schon gerade bei Bradbury sind, habe ich bei Diogenes noch nie erlebt, liebe Phantasia Edition.
Sehr gespannt bin ich in diesem Zusammenhang auf die neuen Kille Kille Geschichten. War E. W. Heine früher auch immer bei Diogens, sind die „Kinkerlitzchen“ und „An Bord der Titanic“ im Berliner Taschenbuch Verlag erschienen, und es wird auf jeden Fall hochinteressant, festzustellen ob sich ein ähnlicher Unterschied der inhaltlichen Qualität feststellen läßt wie bei Bradbury…